Örtlich unflexibel, falsche Preispolitik, wackelige Finanzierung – es gibt einige Fehler, die den Start in die Selbständigkeit schwerer als nötig machen. (Foto: © pixabay/Gerd Altmann)

Kolumne von Dr. Andreas Herzog

Es sind oft „einfache Dinge“, die vom Start weg dafür verantwortlich sind, dass eine Tierarztpraxis zum unternehmerischen Flop wird. Welche das sind, zeigt unser Kolumnist und Sponsorpartner Dr. Andreas Herzog in seinem dritten Beitrag zum Thema „erfolgreich Gründen“. Es geht unter anderem um Immobilität, die Angst vor Schulden und falsche Preispolitik.

Fehler 1: Keine fundierte Ausbildung

Dr. Andreas Herzog, Gründer und Inhaber der Tierarztberatung Vet-Consulting.
Eine solide Ausbildung ist aus meiner Sicht die sicherste Basis für eine erfolgreiche Selbständigkeit. Das muss nicht zwingend ein Fachtierarzt oder eine besondere Spezialisierung sein. Aber die für eine Kleintierpraxis notwendigen Basics sollte man beherrschen. Das gilt vor allem für die OP-Techniken.
Meine erfolgreichsten Kunden haben in der Regel zuvor mindestens(!) für zwei bis drei Jahre in einer großen Tierklinik oder einem Überweisungszentrum gearbeitet. Dort gab es ausreichend viele, unterschiedliche Patienten und häufig Spezialisten verschiedener Fachrichtungen, von denen sie lernen konnten. Und man sollte die Erfahrungen nicht unterschätzen, die sie in den Nacht- und Notdiensten gesammelt haben.
Das einzige, was in manchen Kliniken zu kurz kommt, ist das Erlernen der Standardoperationen. Dies liegt häufig daran, dass diese Kliniken spezialisierte OP-Teams haben. Oder dass dort auch Fachtierärzte für Chirurgie ausgebildet werden und deshalb die anderen Assistenten selten(er) operieren durften. Meine Empfehlung: Diese Lücke gezielt durch externe Fort- und Weiterbildungen schließen.

Fehler 2: Unflexibel bei der Standortwahl

In meiner Beratungstätigkeit habe ich es leider schon oft erlebt, dass selbst 50 km Entfernung vom Wohnort vielen jungen Tierärztinnen zu weit weg war. Dieser Fokus auf einen Ort produziert am Ende nur Verlierer.

  • Zum einen gibt es in/um manche(n) Städte(n) deshalb eine regelrechte Tierarztschwemme. Damit herrscht dort oft auch ein ruinöser Wettbewerb.
  • Auf der anderen Seite müssen erfolgreiche Praxen an Standorten, die nicht „in“ sind, womöglich schließen, weil sie keine Nachfolger finden. Viele Inhaber dort gehen momentan aus Pflichtgefühl gegenüber ihren Patienten nicht oder viel zu spät in den Ruhestand.

Ich kann jungen Tierärzten, die mit dem Gedanken spielen sich selbständig zu machen, nur ganz dringend empfehlen: Seien Sie bei der Wahl des Standortes sehr flexibel. Wer dafür offen ist, kann in der aktuellen Situation (mehr Infos hier) wirklich sicher sein, eine Praxis zu finden, die ihr/ihm ein gutes bis sehr gutes Auskommen in den nächsten Jahren und sogar Jahrzehnten bieten wird.

Fehler 3: Die Angst vor großen Summen

Ja, bei Gründung oder Übernahme einer Praxis geht es um Investitionen im Hundertausende-Euro-Bereich. Für junge Tierärzte sind das enorme Beträge. Auch weil kaum einer eine Vorstellung hat, wie einfach es im Grunde ist, eine Finanzierung für die Übernahme einer soliden Praxis zu bekommen. Viele glauben immer noch, man müsste eine Menge Eigenkapital oder Sicherheiten mitbringen, wenn man eine Praxis kaufen oder gründen möchte.
Das ist falsch. Es ist heutzutage möglich, eine Finanzierung für eine Praxisübernahme ohne jegliches Eigenkapital und ohne Sicherheiten – bis auf eine Risikolebensversicherung – zu erhalten. Das bedeutet nicht, dass es keine Fallstricke gibt. Aber wer die Weichen für sein „Lebenswerk“ stellt, der sollte sein Vorhaben gemeinsam mit einem Experten planen und sich auch bei der Finanzierung fachkundig beraten lassen. Dann kann im Grunde jede Praxis/Klinik finanziert werden.

Je teurer, desto attraktiver?

Auch wenn es für viele paradox klingt: Je größer das Vorhaben, umso einfacher ist es meist, die nötigen Gelder zu bekommen. Der Grund: Für die Bank ist entscheidend, was nach Zins und Tilgung noch an Liquidität übrig bleibt. Deshalb ist es einfacher eine Finanzierung von zum Beispiel 500.000 Euro zu bewerkstelligen, wenn die Praxis einen Gewinn von 250.000 Euro erwirtschaftet, als eine Gründung mit 100.000 Euro, wenn dann nur ein Gewinn von 40.000 übrig bleibt.
Bei diesem Mini-Gewinn hat der Käufer nämlich nach Abzug der Ausgaben für Versorgungswerk, Krankenversicherung, Zins und Tilgung nicht mehr genügend Geld zum Leben. Anders bei 200.000 Gewinn: Dann stehen mindestens 3.000 Euro netto zur Verfügung. Nicht nur für die Bank ist das eine solide Lebens- und Finanzierungsgrundlage. Das sollte man sich auch selbst wert sein. Leider lernen Tierärzte solche einfachen Zusammenhänge nicht im Studium und lassen sich oft auch nicht kompetent beraten.

Fehler 4: Neugründung statt Übernahme

Manche Tierärzte schrecken davor zurück, bestehende gut gehende Praxen zu übernehmen. Sie wollen den Schritt in die Selbständigkeit lieber mit einer Neugründung wagen. Ich kann nur raten, sich das gut zu überlegen und mit einem erfahrenen Berater zu diskutieren. Warum das finanziell oft unklug ist, habe ich hier in meiner letzten Kolumne mit Zahlen belegt:

Die Unsitte der “Mobilen Kleintierpraxen”

Die größte Unsitte, die mir in diesem Zusammenhang bisher untergekommen ist, sind die sogenannten „Mobilen Kleintierpraxen“. Diese Konstrukte entstehen häufig, weil die Frustration als angestellter Tierarzt zu groß geworden ist. Kombiniert mit Unwissenheit und vielleicht auch mangelndem Mut oder Selbstvertrauen, eine „richtige“ Praxis zu gründen. Man möchte dann mit einer Investition von unter 50.000 Euro den Weg in die Selbständigkeit starten.
Mir ist bisher noch kein Fall untergekommen, wo dieses System wirklich gut funktioniert hat. Selbst wenn sich damit vielleicht 20.000 oder 30.000 Euro im Jahr verdienen lassen – man sollte sich rechtzeitig vor Augen führen, dass das keine Vollerwerbspraxis ist. Und man sollte sich bewußt sein, welche bitteren Konsequenzen das für die spätere Rente hat. Aus meiner Sicht ist so der Weg in die Altersarmut vorgezeichnet.

Fehler 5: Falsche Preispolitik und Abrechnung

Es gibt einen Schlüsselfaktor für eine nachhaltige und erfolgreiche Selbständigkeit: Eine korrekte und vollständige Abrechnung sowie eine vernünftige Preispolitik. Ich empfehle jedem jungen Tierarzt dringendst, sich ausreichend Zeit zu nehmen und die Höhe seiner Abrechnung vorab sehr genau zu planen – und diesen Plan dann einzuhalten, ihn regelmäßig zu kontrollieren und nachzujustieren.
Wer sicherstellt, dass die Preise betriebswirtschaftlich(!) sinnvoll kalkuliert sind und auch alle tatsächlich erbrachten Leistungen abrechnet, der beugt zahlreichen Problemen vor, die am „Geld hängen“ – vor allem bei der Personalbeschaffung und -bindung.

Ich bin felsenfest davon überzeugt: In Zukunft haben nur noch die Praxen eine langfristige Überlebenschance, die ihre Angestellten fair und angemessen bezahlen können. Wenn aber dafür der Gewinn nicht ausreicht, dann wird es auch für den Inhaber schwer. Entweder man arbeitet dann allein ohne Work-Life-Balance. Oder man verzichtet auf einen entsprechenden und angemessenen Unternehmerlohn für sich selbst. Wer einmal eine solch falsche Niedrigpreispolitik gewählt hat, für den beginnt schon ab dem ersten Tag ein Teufelskreis.

Wo genau die Preisfallen liegen und wie sich mit einem Abrechnungsfaktor von +0,2 der „finanzielle Spielraum“ um 50 Prozent vergrößert, zeige ich in der nächsten Kolumne.